»Es gehet dem Menschen wie dem Vieh«. Gut Depenau und seine Leibeigenen
Der Geist, den Joachim von Brockdorff auf das Gut Depenau in Holstein brachte, lässt sich einfach nicht mehr austreiben. 1707 proben die unterdrückten Leibeigenen der Orte Wankendorf und Stolpe den Aufstand. Und noch Jahre später finden immer wieder militärische Kommissionen und Untersuchungen auf dem Gut statt. Immer geht es dabei um Auflösung von Bauernstellen, zu erbringende Leistungen, Landwegnahme, Arbeitsverweigerung, Hofdienste. Gelernt haben die kämpferischen Dorfbewohner, über die es zu berichten gilt, über all die Jahre, was es heißt, sich nicht zu ducken, ehrbötig zu kuschen, fatalistisch sich alles gefallen zu lassen, vielmehr ihre Interessen furchtlos zu vertreten, solidarisch für ihre Freiheit einzustehen.
»›Ist das Feld mein oder euer, ich vermeine, dass das Feld sei mein! Nichts gehört euch zu, die Seele gehöret Gott, eure Leiber, Güter und
alles was ihr habt ist mein, wollt ihr mir das wehren, dass ich meine Schweine auf euer Feld soll hüten lassen, davon sollt ihr das Unglück bekommen, gehet man, dass ihr vor meinen Augen
wegkommt.‹« Das ganze Ausmaß der Verachtung, mit der
ein adliger Gutsherr 1740 im tiefen Brustton der Überzeugung seine Untergebenen anherrschte, als sie zaghaft darauf hinwiesen, die von ihm in ihr Korn getriebenen Schweine fressen doch ihre
Nahrungsgrundlage auf, ist bei den Lesern bis heute eine Quelle der Verwunderung oder Entrüstung – und mehr noch. Wer in Deutschland bis dato keinen Begriff von der ›guten, alten Zeit‹ erfahren
hat, dieser wie immer und ehedem weder nur guten, noch alt und verblassenen – vielmehr noch und noch stark und trüb ins Grau verblichenen und ins Hier und Heute reichenden –, wer sein ethisches
und ästhetisches Urteil bisher an den Klassikern und Romantikern geschult hat, der muß sich völlig irregeleitet denken, muß an seinem Verstande zweifeln, wird er doch zu einer Revision der
Vorstellung aufgefordert, dass es dieserart überhaupt zwischen Menschen in Deutschland der Aufklärung, im Deutschland, dem Land der Dichter und Denker gab – – – und gibt. Es soll uns, die die wir
heute leben, gemahnen, hinter die Dinge zu schauen, uns nicht von wohlabgewogenen Sentenzen blenden zu lassen. Dass Geschichte sich nicht wiederholt, ist nur ein Ausspruch derer, deren Ansinnen
in einer immer geschichtsloser werdenden Welt eben genau darauf abzielt, uns den freien Blick zu verstellen. Die Formen der Knechtschaft, der Leibeigenschaft, gutsherrliches, willkürliches
Auftreten sind hier wie dort, damals wie heute in Ansätzen vorhanden, nur unter anderen Tüchern verpackt und verhüllt. Arbeitnehmer von Personalagenturen, Zeitarbeiter, vermögen einiges zu
erzählen. […]« (Auszug)
Volker Griese: »Es gehet dem Menschen wie dem Vieh«. Gut Depenau und seine Leibeigenen. Ein Essay
Hardcover, 56 Seiten
Druck und Verlag: BOD, Norderstedt 2017
ISBN: 978-3-7431-5936-5
12,80 EUR